Hilfsschule

Die Hilfsschule im Nationalsozialismus

von Kirsten Knaack

6. Die Hilfsschule Bergedorf im deutschen Faschismus

6.1. Entstehung und Entwicklung bis 1945

Im Jahre 1918 wurde in Lohbrügge in der Schulstraße 19[80] eine eigenständige Hilfsschule eingerichtet. Unter seinem Leiter Hans Matthiessen (1876-1944) entwickelte sich ein soziales und liberales Schulklima, was u.a. auch der von Beginn an dort tätigen Lehrerin Frieda- Stoppenbrink- Buchholz zu verdanken ist (vgl. Ellger- Rüttgardt 1987).
Nach der Machtübertragung an die NSDAP 1933 ergaben sich einige Änderungen im Schulalltag. Wie alle im Dienst verbleibenden LehrerInnen wurden auch die dort unterrichtenden gedrängt, in die NSDAP und den NSLB einzutreten.[81] Die Hilfsschule verlor ihre Selbständigkeit und wurde der Leitung der Volksschule Am Brink unterstellt, deren Rektor Lühning[82] ein linientreuer Nationalsozialist war, aber den Unterricht wie bisher weiterlaufen ließ, so Frieda Stoppenbrink- Buchholz in eiem Gespräch mit Sieglind Ellger- Rüttgardt. Nach der Übergangsphase erhielt der Hilfsschullehrer Richard Schäfer[83] die Leitung der Hilfsschule Bergedorf, da er als erster aus dem Kollegium in die Partei eingetreten war. Laut dem o.g. Gespräch griff aber auch er nicht sonderlich in die pädagogische Gestaltung des Unterrichts ein (vgl. ebd., S. 72 f.).
Nicht alle LehrerInnen benutzten den Hitlergruß als morgendliche Begrüßung der SchülerInnen (vgl. ebd., S. 74 f.).
Ab November 1940 gingen bis zum Ende des Krieges Kinder der Hilfsschule Bergedorf mit ihrer Lehrerin Frieda Buchholz in die Kinderlandverschickung.
Die Schule selber wurde nicht, wie große Teile Bergedorfs auch, durch Bombenangriffe beschädigt. Trotzdem litt der Schulalltag stark unter den sich permanent verschlechternden Bedingungen. In einem Bericht über die Durchführung der neuen Richtlinien von 1942 klagt der Schulleiter Schäfer der Schulverwaltung am 08. März 1943 sein Leid. Die „kriegsbedingten Schwierigkeiten“ stünden der Durchführung der Richtilinien entgegen. Diese Schwierigkeiten wolle er folgend kurz skizzieren: „Unsere vierklassige Schule gab bei Kriegsbeginn eine männliche Lehrkraft an die Wehrmacht ab. (Dieselbe Lehrkraft war schon in den Vorkriegsjahren an Wehrmachtsübungen sowie bei den Aktionen zur Heimführung Österreichs und des Sudetenlandes eingezogen.)Da für ihn nie eine Vertretung gestellt wurde, mußte seine Klasse fast stets mit durchgeschleppt werden. Bei einer Schülerzahl von 96 Kindern kam ein Durchschnitt von 32 Schülern auf eine Lehrkraft, eine Zahl, die im Rahmen einer Hi. Sch. gewertet, eine starke Belastung bedeutet. Dazu kam nun noch die durch Hamburgs Luftgefährdung notwendig gewordene Kinderlandverschickung. Die Schule stellte zweimal gemischte Schülergruppen unter Führung der Lehrerin Frieda Buchholz für die KLV zusammen. (...) Die dritte Lehrkraft der Schule, der Hilfsschullehrer Andr. Christ. Petersen war im Sommer 1942 als Dolmetscher ebenfalls zur Wehrmacht eingezogen, mußte aber wegen einer schweren Rückgraterkrankung wieder entlassen werden. Er ist im Schuldienst nicht voll einsatzfähig; er gibt mit behördlicher Genehmigung nur 20 Wochenstunden. So ergab sich im Sommer 1942 die Tatsache, daß der Schulleiter während dieser Zeit etwa 72 Schüler allein zu betreuen hatte. Aus diesen geschilderten Schwierigkeiten erhellt wohl zur Genüge, daß es unmöglich war, den Unterricht nach den Grundlagen der neuen Richtlinien umzugestalten. Die Schule mußte sich damit zufriedengeben, überhaupt einen geregelten, täglichen Unterricht weiterführen und die Schüler in überfüllten Klassen so weit zu fördern, daß eine normale Förderung zu verzeichnen war. (...)“ (StAHH, 361-2VI, Oberschulbehörde VI, 2546)
Frieda Stoppenbrink- Buchholz wurde nach Kriegsende, da sie, außer ihren vorhandenen pädagogischen Fähigkeiten, politisch unbelastet war, Schulleiterin der Hilfsschule Bergedorf.

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[80] Jetzt: Binnenfeldredder. Das Schulgebäude wurde allerdings abgerissen. Zum besseren Überblick befindet sich im Anhang eine Karte Bergedorf- Lohbrügges aus der NS- Zeit (der genaue Jahrgang konnte nicht ermittelt werden).

[81] Interessanterweise konnte Frieda Stoppenbrink- Buchholz bis 1945 in ihrem Beruf verbleiben, obwohl sie nicht in die Partei eintrat und Mitglied der SPD bis zu ihrem Verbot war. Sie trat allerdings 1937 dem NSLB und 1935 der NSV bei. Zudem setzte sie sich in ihrer Dissertation 1939 und auch in den meisten Schülergutachten gegen die Stigmatisierung ihrer SchülerInnen als ‚Schwachsinnige‘ ein, im Gegensatz zu dem, was die NSDAP, wie in Kapitel 4 beschrieben, verlangte und erwartete (vgl. Ellger- Rüttgardt, S. 52 f.).

[82] Lühning wird in Ellger- Rüttgardts Buch nicht erwähnt, jedoch ist aus den mir eingesehenen SchülerInnenakten festzustellen, dass Lühning zeitweise die Leitung der Schule hatte (vgl. StAHH, 362-10/9, Hilfsschule Bergedorf, alle Bände).

[83] Auch dieser Name taucht nicht direkt bei Ellger- Rüttgardt auf, aber aus ihrem verwendeten Kürzel Sch. sowie den unter der vorigen Fußnote eingesehenen Akten lässt sich diese Feststellung machen.

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