Hilfsschule

Die Hilfsschule im Nationalsozialismus

von Kirsten Knaack

Exkurs: Binding/ Hoche: Die Vernichtung lebensunwerten Lebens

1920 erscheint die Broschüre „Die Freigabe der Vernichtung lebensunwerten Lebens“von dem Psychiater Alfred Erich Hoche (geb.1865) und dem Juristen Karl Binding (geb. 1841).
In ihrem Werk befürworten sie Sterbehilfe bei Todkranken sowie die Tötung ‚Minderwertiger‘, Kranker und Behinderter. Da sämtliche ‚Euthanasie‘- Befürworter und -Durchführende in der NS- Zeit sich auf dieses Buch berufen, sei es im Folgenden kurz inhaltlich geschildert.[22] Dabei wird die geforderte Sterbehilfe bei Todkranken keine Erwähnung finden.
Unter dem Eindruck der wirtschaftlichen Krisenstimmung in Deutschland und ausgehend von der utilitaristischen Denkweise der Kosten- Nutzen- Aufrechnung von Menschen erstellte Hoche einen Katalog, welche Menschen zu den „unheilbar Blödsinnigen“ oder den im „Zustand geistigen Todes“ Befindlichen (Binding/ Hoche, S. 51 f.) gehörten: Personen mit Greisenveränderungen des Gehirns, sogenannte Hirnerweichung (Dementia paralytica), arteriosklerotische Veränderungen im Gehirn und jugendliche ‚Verblödungsprozesse‘(Dementia praecox) (vgl. ebd.); desweiteren Menschen mit groben Mißbildungen des Gehirns, Fehlen einzelner Teile, Hemmungen der Entwicklung während der Fetalphase oder Entwicklungsstillstand bei normal angelegtem Gehirn (vgl. ebd., S. 52). Die größte Belastung für die Allgemeinheit stellten die „Vollidioten“ (ebd., S.53) dar, da sie unproduktiv seien und dem Nationalvermögen durch fürsorgerische Leistungen, die sie empfingen, eine ungeheure Kapitalmenge entzögen (vgl. ebd., S. 53 f.): „(...) Es ist eine peinliche Vorstellung, daß ganze Generationen von Pflegern neben diesen leeren Menschenhülsen dahinaltern, von denen nicht wenige 70 Jahre und älter werden. Die Frage, ob der für diese Kategorien von Ballastexistenzen notwendige Aufwand nach allen Richtungen hin gerechtfertigt sei, war in den verflossenen Zeiten des Wohlstandes nicht dringend; jetzt ist es anders geworden, und wir müssen uns ernstlich mit ihr beschäftigen. Unsere Lage ist wie die der Teilnehmer an einer schwierigen Expedition, bei welcher die größtmögliche Leistungsfähigkeit Aller die unersätzliche Voraussetzung für das Gelingen der Unternehmung bedeutet, und bei der kein Platz ist für halbe, Viertels- und Achtels- Kräfte. Unsere deutsche Aufgabe wird für lange Zeit sein: eine bis zum höchsten gesteigerte Zusammenfassung aller Möglichkeiten, ein Freimachen jeder verfügbaren Leistungsfähigkeit für fördernde Zwecke. Der Erfüllung dieser Aufgabe steht das moderne Bestreben entgegen, möglichst auch die Schwächlinge aller Sorten zu erhalten, allen, auch den zwar nicht geistig Toten, aber doch ihrer Organisation nach minderwertigen Elementen Pflege und Schutz angedeihen zu lassen- Bemühungen, die dadurch ihre besondere Tragweite erhalten, daß es bisher nicht möglich gewesen, auch nicht im Ernste versucht worden ist, diese Defektmenschen von der Fortpflanzung auszuschließen.“ (ebd., S. 55)
Die später durchgeführte Kinder- ‚Euthanasie‘ missbilligte er jedoch, da noch keine „(...) Sicherheit dauernden geistigen Todes (...)“ im Kindesalter bestünde (ebd., S. 61).
Hoche räumte 1933 seinen Lehrstuhl der Psychiatrie und verurteilte 1940 die ‚Euthanasie‘ der Nazis zutiefst, nachdem eine Verwandte zum Opfer wurde (vgl. Klee, S. 19 ff.).
Binding trat auf der einen Seite für die ‚Euthanasie‘ unheilbar Kranker (vgl. ebd., S. 29) sowie auf der anderen Seite für die der ‚unheilbar Blödsinnigen‘ ein. Zur letzteren Gruppe schrieb er: „Sie haben weder den Willen zu leben, noch zu sterben. So gibt es ihrerseits keine beachtliche Einwilligung in die Tötung, andererseits stößt diese auf keinen Lebenswillen, der gebrochen werden müßte. Ihr Leben ist absolut zwecklos, aber sie empfinden es nicht als unerträglich. Für ihre Angehörigen wie für die Gesellschaft bilden sie eine furchtbar schwere Belastung. Ihr Tod reißt nicht die geringste Lücke- außer vielleicht im Gefühl der Mutter oder der treuen Pflegerin. Da sie großer Pflege bedürfen, geben sie Anlaß, daß ein Menschenberuf entsteht, der darin aufgeht, absolut lebensunwertes Leben für Jahre und Jahrzehnte zu fristen (...) Wieder finde ich weder vom rechtlichen, noch vom sozialen, noch vom sittlichen, noch vom religiösen Standpunkt aus schlechterdings keinen Grund, die Tötung dieser Menschen, die das furchtbare Gegenbild echter Menschen bilden und fast in jedem Entsetzen erwecken, der ihnen begegnet, freizugeben (...).“ (ebd., S. 32f.)
Anhand dieser kurzen Ausschnitte wird das utilitaristisch geprägte, Menschen verachtende Bild, das später auch die Ideologie der deutschen Faschisten auszeichnen sollte, m.E. deutlich.

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[22] Zur Durchführung der ‚Euthanasie‘- Maßnahmen der Nationalsozialisten sei auf Kapitel 5 dieser Arbeit verwiesen.

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