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4.2. Die Hilfsschule von 1933 - 1945
Die utilitaristische Grundeinstellung der Nationalsozialisten sowie die rassenhygienischen Vorstellungen (vgl. Kapitel 2 dieser Arbeit) führte zunächst zu der Frage der Existenzberechtigung der Hilfsschule.[66]
Der NS- Rassenideologe Staemmler schlug jedoch bereits 1933 vor: „Ein sehr großer Teil [der Hilfsschüler] stammt auch aus schwachsinnigen Familien, ist also erblich belastet und wird seine minderwertigen Anlagen weitervererben“ (zit. nach Höck, S. 52). Die folgende erbbiologische Aufgabe der Hilfsschule scheint sich aus diesem Satz direkt zu ergeben.
Nach Höck gab es jedoch direkt nach der Machtübertragung an die NSDAP Auflösungen von Hilfsschulen, besonders in Preußen, die jedoch nach seiner Quellenlage „fast ausschließlich von den Sachträgern bzw. den unteren Schulverwaltungsbehörden ausgingen. Sie standen unter dem Zwang der leeren Stadtkassen und offensichtlich auch unter dem Druck örtlicher Parteigruppierungen.“ (Höck, S. 66)
1935 wurde das Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung in Berlin gedrängt, über die Zukunft der Hilfsschule zu entscheiden. Die Antwort wurde am 06. Juli 1935 durch eine Abschrift eines Erlasses des Düsseldorfer Regierungspräsidenten vom 27. Februar 1935 gegeben:
„Abschrift zur gefälligen Kenntnis.
Ich beauftrage Sie, auf die Schulräte und die Schulunterhaltungsträger in gleicher Weise einzuwirken.
Im Auftrage
gez. (unleserlich)
An die Herren Regierungspräsidenten und den Herrn Staatskommissar für die Hauptstadt Berlin.
(...)
Aus gegebenem Anlaß ersuche ich die Kreisschulräte dafür Sorge zu tragen, daß alle nach den ministeriellen Bestimmungen als hilfsschulpflichtig anzusprechenden Kinder nach Möglichkeit auch restlos der Hilfsschule zugewiesen werden.
(...)
Abgesehen von der Pflichtvernachlässigung, die in der Nichtüberweisung eines hilfsschulbedürftigen Kindes von der Volksschule in die Hilfsschule liegt, bedeutet sie eine absolute Verkennung der Ziele des nationalsozialistischen Staates auf rassischem Gebiete. Die Bestrebungen unseres Staates in Bezug auf die Erbgesundheit machen die Einrichtung der Hilfsschule und ihre tätige Mitarbeit zur Erreichung dieser Ziele unbedingt notwendig.
Im Hinblick auf die Bestimmungen des Erbgesundheitsgesetzes, die gewissenhafteste Prüfung jedes Falles vorausgesetzt, ist das Verbleiben eines hilfsschulbedürftigen Kindes in der Volksschule unbedingt zu vermeiden. Gerade die Erzieherschaft unserer jetzigen Generation trägt für die Entwicklung unserer Volksgesundheit eine besonders hohe Verantwortung, und ich muß erwarten, daß sie sich dieser Verantwortung in bester Zusammenarbeit aller Beteiligten bewusst und gewachsen zeigt. (...)“ (StAHH, 361-2VI, Oberschulbehörde VI, 2546)
Zur Schulung der HilfsschullehrerInnen in Bezug auf die Hilfe zur Durchführung des GzVeN fanden immer wieder Veranstaltungen von Universitäten, Gesundheitsbehörden, den Rassenpolitischen Ämtern sowie des NSLB statt (vgl. Höck, S. 89). Offenbar wurden jedoch einige HilfsschülerInnen von Lehrkräften zum Widerstand gegen die Sterilisierungsmaßnahmen ermutigt. Ein Beispiel dafür zeigt ein Schreiben der Gesundheits- und Fürsorgebehörde Hamburg an die Landesunterrichtsbehörde vom 09. Oktober 1934, in dem beklagt wird, dass HilfsschülerInnen nicht zur Vorladung im Gesundheitsamt erschienen seien: „Bei der Bearbeitung der Hilfsschulbögen, zwecks Einleitung des Sterilisationsverfahrens bei Hilfsschulkindern, ist in letzter Zeit hier aufgefallen, daß Kinder verängstigt zur Untersuchung kamen. Ein Mädchen wurde auch heulend mit Gewalt des Vaters gebracht, und die Nachforschung ergab, daß diese Kinder in der Hilfsschule aufgehetzt und verängstigt worden waren. So soll unter anderem den Kindern dort erzählt werden, sie würden hier bei der Untersuchung gleich zurückbehalten und operiert, und demzufolge hätten sie sich gegenseitig verabredet, auf die Vorladungen nicht ins Gesundheitsamt zu gehen. Es handelt sich im wesentlichen um Hilfsschülerinnen des Jahrgangs 1919. Es sind auch tatsächlich weiterhin nur sehr wenige Hilfsschülerinnen zur Untersuchung gekommen, während der ganz überwiegende Teil ferngeblieben ist. (...) Die [die Beunruhigung] wird jedoch unter Umständen von üblen Elementen systematisch betrieben, um die Durchführung des Sterilisationsgesetzes zu erschweren.
(gez.) Dr. Peters“
(361-2VI, Oberschulbehörde VI, 715)
Ebenso wurden teilweise die Fragen der Intelligenzprüfungen, die das Staatliche Gesundheitsamt bei allen vermuteten Fällen von ‚angeborenem Schwachsinn‘ durchführte, von LehrerInnen mit den SchülerInnen geübt. So veröffentlichte das Staatliche Gesundheitsamt in Heft 24 der Zeitschrift „Deutsche Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung“ vom 20.12.1935 an „die Leitungen der Hilfsschulen“: „Bei der Begutachtung erbkranker Kinder zur Vorbereitung des Verfahrens der Unfruchtbarmachung findet in Fällen von angeborenem Schwachsinn durch das Staatliche Gesundheitsamt eine Intelligenzprüfung statt, deren Fragen vom Reich auf einem sogenannten Intelligenzprüfungsbogen vermerkt sind. Der Inhalt dieses Intelligenzprüfungsbogens ist namentlich in den Kreisen der Hilfsschüler bereits dermaßen bekannt, daß die Hilfsschulkinder sich gegenseitig seine Fragen abhören. Das Staatliche Gesundheitsamt hat daraufhin einen anderen Intelligenzprüfungsbogen entworfen, der aber ebenfalls nach kurzer Zeit in den Kreisen der Hilfsschüler bekannt war. (...)
Die Schulleitungen der Hilfsschulen werden ersucht, darauf hinzuwirken, daß die Maßnahmen des Staatlichen Gesundheitsamtes in jeder Hinsicht unbeeinflußt vor sich gehen können. Auffällige Tatsachen sind dem Staatlichen Gesundheitsamt sofort mitzuteilen.“
Tornow und Breitbarth u.a. begrüßten 1933 einhellig die Bestrebungen, ‚schwachsinnige‘ Hilfsschüler zu sterilisieren (vgl. ebd., S. 104).
In einem Schreiben an die Hamburger Volks- und Hilfsschulen vom 08. Februar 1938 präzisierte die Hamburger Kultur- und Schulbehörde die Aufgabe der Hilfsschule und äußert sich zu der Frage der Sterilisation von HilfsschülerInnen:
„(...)
II. Die Aufgabe der Hilfsschule besteht darin:
a) die ihr zugewiesenen Kinder in einem besonderen heilpädagogisch unterbauten Bildungsgang zu brauchbaren Gliedern der Volksgemeinschaft zu erziehen;
b) die allgemeine Volksschule zu entlasten und ihr zu ermöglichen, alle Arbeit auf die höchstmögliche Förderung und Bildung der ihr verbleibenden Kinder auszurichten;
c) wirksame Unterstützung und Handreichung bei den erb- und rassenhygienischen Maßnahmen des Staates zu leisten.
Die Erfüllung dieser Aufgaben setzt voraus, daß 1. eine möglichst frühzeitige Erfassung aller hilfsschulbedürftigen Kinder erfolgt und 2. sich jeder Lehrer als Mitträger der Verantwortung für die Lösung dieser Aufgabe fühlt. [unterstrichen i. Orig.]
Der Besuch der Hilfsschulen zieht nicht ohne weiteres Sterilisationsmaßnahmen nach sich. Ob die Voraussetzungen dazu gegeben sind, wird vielmehr von Fall zu Fall entschieden werden, um die wirklich erbgefährdeten Fälle angeborenen Schwachsinns und sonstiger Erbkrankheiten zu erfassen. Anfragen von Eltern sind in diesem Sinne zu beantworten. Dabei ist die Mitarbeit der gesamten Lehrerschaft dringend erforderlich, weil Hilfsschulkinder und deren Angehörige erfahrungsgemäß viele Schwierigkeiten bereiten.
Im Auftrag Mansfeld“ (StAHH, 361-2VI, Oberschulbehörde VI, 711)
Offenbar fühlten betroffene Familien, deren Kinder für hilfsschulreif erklärt worden waren, sich durch die Sterilisationsgesetzgebung bedroht und versuchten, die Kinder auf römisch- katholische Gemeindeschulen umzuschulen. Hinweise darauf gibt ein Rundschreiben von Albert Mansfeld (Kultur- und Schulbehörde) an die Schulleiter der katholischen Schulen vom 19. Februar 1938: „In gegebener Veranlassung weist die Kultur- und Schulbehörde darauf hin, daß es nicht statthaft ist, solche Kinder, die bisher eine staatliche Volksschule besucht haben und für hilfsschulreif erklärt worden sind, in eine Schule der römisch- katholischen Gemeinde umzuschulen. (...)“ (ebd.)
In der „Allgemeinen Anordnung über die Hilfsschulen in Preußen“ (AAoPr) vom 27. 04. 1938 (vollständiges Exemplar in der Anlage) wird die Aufgabenstellung der Hilfsschule weiter konkretisiert. In dem Erlass fordert Reichserziehungsminister Rust: „Ich ersuche, die zur Durchführung erforderlichen Maßnahmen alsbald zu treffen und mir über das Veranlaßte bis zum 01. April 1939 zu berichten. (...)“ (StAHH, 361-7 Staatsverwaltung, Schul- und Hochschulabteilung, 4020-12) Es wird in der AAoPr die Zuordnung der Hilfsschule zur Volksschule geregelt; in der Hilfsschule „(...) genügen Kinder ihrer Volksschulpflicht, die bildungsfähig sind, dem allgemeinen Bildungsgang der Volksschule aber wegen ihrer Hemmungen in der körperlich- seelischen Gesamtentwicklung und ihrer Störungen im Erkenntnis-, Gefühls- und Willensleben unterrichtlich und erziehlich nicht zu folgen vermögen.“ Die vermeintliche Andersartigkeit der Hilfsschulkinder ist hier also übernommen worden. Die Aufgabe der Hilfsschule besteht in dreierlei Punkten: 1. Entlastung der Volksschule und damit ihre ‚Aufwertung‘. 2. „(...) Unterstützung der erb- und rassenpflegerischen Maßnahmen des Staates“. 3. Erziehung zu „(...) brauchbare[n] Glieder[n] der Volksgemeinschaft“.
Die Umschulung von der Volks- auf die Hilfsschule sollte erfolgen, wenn die Kinder der oben beschriebenen „(...)Veranlagung a) bei Anlegung eines strengen Maßstabes nach zweijährigem Schulbesuch das Ziel des ersten Schuljahrs nicht erreicht haben; b) nach dreijährigem Schulbesuch nicht das Ziel des zweiten oder nach vierjährigem Schulbesuch nicht das Ziel des dritten Schuljahres erreicht haben.“ Der Antrag auf Umschulung konnte aber auch früher gestellt werden: „Er soll in eindeutigen Fällen früher gestellt werden, wenn das Kind offenkundig für den Bildungsgang der Volksschule ungeeignet ist und die Klassengemeinschaft belastet.“
Wenn ein Kind erst einmal auf der Hilfsschule war, waren die Chancen auf eine Rücküberweisung auf die Volksschule minimal: „Rücküberweisungen von Hilfsschulkindern in die Volksschule werden bei sorgfältiger Auslese Ausnahmen bleiben.“
Zu einem Überweisungsverfahren gehörte ein heilpädagogisches Gutachten der Sonderschule und ein ärztliches Gutachten des Amts- oder Schularztes.
Die Hilfsschulen sollten grundsätzlich selbständig und nicht einer Volksschule angegliedert sein. Die Klassenfrequenz sollte in der Unterstufe nicht mehr als 20, in der Mittel- und Oberstufe nicht mehr als 25 Kinder betragen. Sogenannte Sammelklassen für sogenannte bildungsunfähige Kinder[67] wurden für unzulässig erklärt. Diese Kinder sollten der öffentlichen Fürsorge zugeführt werden.[68] (StAHH, 361-7 Staatsverwaltung, Schul- und Hochschulabteilung, 4020-12)
Durch die Vorbereitung und Durchführung des Krieges erhielt die Hilfsschule noch einmal einen Anspruchswechsel, da dem Arbeitskräftemangel des Staates entgegengewirkt werden mußte.
Während des Zweiten Weltkrieges hatte allerdings auch die Hilfsschule mit personellen und materiellen Mangelerscheinungen zu kämpfen[69].
Mitten in die Kriegszeit fiel der Erlass der ‚Richtlinien für Erziehung und Unterricht in der Hilfsschule‘ vom 18.02.1942 (Exemplar in der Anlage). Auffallend ist, dass die Richtlinien für die einzelnen Fächer wesentlich mehr Raum einnehmen als die allgemeinen Grundsätze.
In den allgemeinen Grundsätzen wird der Sondercharakter der Hilfsschule betont, der „durch die Veranlagung der ihr anvertrauten Kinder gegeben“ sei. Dennoch findet auch der Aspekt der kindlichen Umweltverhältnisse Beachtung, und die erzieherische Arbeit wird als durchaus hoffnungsvoll angesehen: „Bei Hilfsschulkindern treten auf Grund ihrer besonderen leiblich- seelischen Beschaffenheit und ihrer Umweltverhältnisse häufig Erziehungsschwierigkeiten auf, denen das Elternhaus in den meisten Fällen nicht mit Erfolg zu begegnen vermag. Infolgedessen ist für diese Kinder die Gefahr der Verwahrlosung besonders groß. Der Hilfsschule fällt daher einmal die verantwortungsvolle Aufgabe der Erziehung in ganz besonderem Maße zu, zum anderen haben ihre Erziehungsmaßnahmen der eigenartigen Veranlagung der Kinder Rechnung zu tragen. So gilt es z.B. oft, Willensschwäche, vermindertes Selbstbewußtsein, mangelndes Empfinden und egoistische Einstellung, Triebhaftigkeit und Negativismus zu beseitigen.“ Das Prinzip der Hilfsschulerziehung sei hauptsächlich „das der Bewegung, des Tuns und des Handelns“. Es wird ferner die Empfehlung zum ganzheitlichen Unterricht gegeben und eine möglichst weit gefächerte Binnendifferenzierung im Unterricht gewünscht.
Es sei dringend zu vermitteln, daß „die Heimat des Hilfsschulkindes ein Teil des Großdeutschen Reiches ist, daß sie nur durch dieses Reich lebt und alle Menschen dieses Reiches eine große natürliche Gemeinschaft bilden (...)“. Daraus ergibt sich dann: „Dabei ist darauf zu achten, daß auch solche Bildungsgüter ausgewählt werden, die unter politisch- weltanschaulicher Sicht lebensnotwendig sind.“ Denn: „Es [das Hilfsschulkind; Anm. d. Verf.] ist in seiner Heimat und den heimatlichen Lebensbeziehungen so zu festigen, daß es nach seinen Fähigkeiten imstande ist, von hier aus auch an allem, was unser Volk im ganzen bewegt, teilzunehmen, um später seinen Verpflichtungen als Glied des Volkes im Arbeits- und Berufseinsatz, in der Wehrmacht und in seiner politischen Einordnung gerecht werden zu können.“ [Betonung i. Orig.]
Von der Lehrkraft wird verlangt, den Personalbogen der SchülerInnen penibel zu führen. Einerseits soll so besser nachzuvollziehen sein , welche Kenntnisse das jeweilige Kind bereits erworben hat, um eine effektive Förderung zu garantieren, andererseits wird nur so „die verantwortungsvolle Mitarbeit des Hilfsschullehrers an den volksbiologischen und bevölkerungspolitischen Aufgaben und Maßnahmen des Staates“ möglich. (StAHH, 361-2VI, Oberschulbehörde VI, 2547)
In einem Schreiben des REM an die Unterrichtsverwaltungen der Länder, das den Richtlinien beiliegt, wird die Aufgabe der Hilfsschule intern kurz zusammengefasst: „Die Hilfsschule hat die Aufgabe, die Volksschule zu entlasten, die erb- und rassenpflegerischen Maßnahmen des Staates zu unterstützen und die ihr überwiesenen Kinder in besonderem den Kräften und Anlagen dieser Kinder angepaßtem Verfahren zu erziehen, damit sie sich später als Glieder der Volksgemeinschaft nutzbringend betätigen können.“ (StAHH, 361-7 Staatsverwaltung, Schul- und Hochschulabteilung, 4020-12)
In einem Schreiben des REM vom 14.03.1942 an die Unterrichtsverwaltungen wurde noch einmal betont, wirklich alle Kinder, bei denen die Voraussetzungen bestünden, auf Sonderschulen zu schicken. Falls die vorhandene Kapazität, v.a. der Hilfsschulen, nicht ausreichen solle, wird die Neugründung von Schulen und Ausbildung von Lehrkräften zugesichert, „sobald die Zeitverhältnisse dies gestatten“. (ebd.)
Während des Krieges wuchsen jedoch die Probleme, überhaupt Unterricht abhalten zu können. Daher fand auch die Umsetzung der neuen Richtlinien nur sehr rudimentär statt (vgl. Brief der Hamburger Schulverwaltung an das REM vom 02. März 1943, StAHH, 361-2VI, Oberschulbehörde VI, 2547). 1942/43 wurden zur Verminderung der Verwahrlosungsgefahr einiger SchülerInnen zwar im gesamten Reich wieder Hilfsschulen und einzelne Hilfsschulklassen eingerichtet, aber v.a. seit 1943 war durch Luftalarm, Beschlagnahmung und Zerstörung der Schulen, fehlende Heizmaterialien, fehlende Lehrmittel sowie Lehrermangel Unterricht kaum möglich. Viele SchülerInnen waren mit der KLV aus besonders gefährdeten Gebieten evakuiert worden.[70] Ab Anfang 1945 waren die meisten Schulen geschlossen (vgl. Höck, S. 230)
In den einzelnen Unterrichtsfächern wurde, wie auch in allen anderen Schultypen, ab 1933 besonders auf die politisch- ideologische Beeinflussung der SchülerInnen geachtet (vgl. dazu Höck, S. 248 ff.).
Organisatorisch war die Hilfsschule in sechs Klassenstufen gegliedert, jeweils zwei gehörten zur Unter-, Mittel- und Oberstufe. Die Klassenzählung erfolgte unterschiedlich vor- oder rückwärts.
Die Zahl der Hilfsschulen und –schülerInnen war derweil gestiegen: Im Mai 1940 bestanden im Reichsgebiet 1 094 Hilfsschulen mit 103 094 SchülerInnen (vgl. Benze 1943, S. 151). In Hamburg bestanden 1937 elf Hilfsschulen und 3 Einzelklassen mit 3 905 SchülerInnen (vgl. Brief des Reichsstatthalters in Hamburg an das REM, StAHH, 361-7, Staatsverwaltung, Schul- und Hochschulabteilung, 4020-12)[71].
Exkurs 2: HilfsschülerInnen in nationalsozialistischen Organisationen
In Höck, S. 269 ff. findet eine recht ausführliche Darstellung der Mitgliedschaft von HilfsschülerInnen in HJ, NSV, Landjahr/ Landdienst, Arbeitsdienst und Wehrmacht statt. Um den Eindruck der vielseitigen Diskriminierung von HilfsschülerInnen im deutschen Faschismus zu komplettieren, wird hier zusammenfassend kurz über die Teilnahme in o.g. Organisationen berichtet.
Von 1933-36 wurden HilfsschülerInnen aus HJ/ BDM meist ausgeschlossen, da durch den elitären Anspruch der HJ „die Träger von Krankheiten im Sinne des Reichsgesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses, sofern nach Ansicht des HJ- Arztes der erhobene Befund für eine Sterilisierung ausreichen würde“ (Schirach[72], zit. nach Höck, S. 269), nicht aufgenommen werden sollten. Ab 1936, dem Zeitpunkt der Wendung zur Pflichtorganisation für alle Heranwachsenden, wird die Aufnahme jedoch gestattet; nach Bestehen der ‚Pimpfenprobe‘[73].
Die Nationalsozialistische Volkswohlfahrt (NSV) stellte die Wohlfahrts- und Fürsorgeorganisation des faschistischen Deutschlands dar. Die ‚allgemeine Kinderlandverschickung‘ (KLV) sowie die ‚erweiterte KLV‘[74] während es Krieges war die Fortsetzung der gesundheitsfürsorgerischen ‚Verschickung‘ der Weimarer Republik. Die ‚allgemeine KLV‘ sah keine ‚minderwertigen‘ Kinder in ihrer Maßnahme vor; nach Diskussionen mit Hilfsschullehrkräften wurden jedoch bedingt HilfsschülerInnen zugelassen. In der ‚erweiterten KLV‘ wurden zunächst die VolksschülerInnen berücksichtigt, ab 1942/43 jedoch auch verstärkt die HilfsschülerInnen.[75]
Sogar von der Schulspeisung sollten HilfsschülerInnen ursprünglich ausgeschlossen bleiben; erst ab 1936/37 wurde der Ausschluss aufgehoben.
Im Landjahr bzw. Landdienst[76] wurden mindestens durchschnittliches ‚geistiges Leistungsvermögen‘ gefordert bzw. angeordnet, dass HilfsschülerInnen ausgeschlossen seien. Im Kriege jedoch ist laut Höck davon auszugehen, dass HilfsschülerInnen aufgrund des Personalmangels doch zugelassen wurden.
In Arbeitsdienst und Wehrmacht hatten HilfsschülerInnen grundsätzlich keine Zugangsbeschränkungen.
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[66] Zu der Argumentation der HilfsschullehrerInnenschaft zur Erhaltung der Hilfsschule vgl. Kupffer, S. 116 ff.
[67] Als ‚bildungsunfähig‘ galten die geistig behinderten Kinder.
[68] Die Zuführung der ‚bildungsunfähigen‘ Kinder in die öffentlichen Fürsorgeanstalten kann als die durch Selektion und Asylierung ausgeführte Vorbereitung zur ‚Vernichtung lebensunwerten Lebens‘ angesehen werden.
Im „Jahrbuch des deutschen Zentralinstituts für Erziehung und Unterricht“ 1941/42, herausgegeben von Ministerialrat Dr. Rudolf Benze, wird der wahre Grund der Überweisung der ‚Bildungsunfähigen‘ in Fürsorgemaßnahmen verschleiert: „Die Überweisung an die Jugendämter erscheint deshalb zweckmäßig, weil diese auf Grund ihrer Erfahrungen am besten geeignet sind, Kinder dieser Art vor Verwahrlosung zu bewahren und sie im Zusammenwirken mit Fürsorge-, Gesundheits- und Arbeitsämtern einer ihren Fähigkeiten angemessenen Beschäftigung zuzuführen.“[sic] (Benze 1943, S. 154)
[69] Zu den Problemen der Hilfsschule Bergedorf während des 2. Weltkrieges vgl. Kapitel 6 dieser Arbeit.
[70] Zur KLV der Hilfsschule Bergedorf vgl. Kapitel 6 dieser Arbeit. Argentur für Arbeit
[71] Eine vollständige Liste der Hamburger Hilfsschulen, die etwa Anfang der 40er Jahre entstanden sein durfte, findet sich in der Anlage.
[72] Baldur von Schirach, Leiter der HJ.
[73] Zur ‚Pimpfenprobe‘ gehören: Eine ärztliche Untersuchung, „60 m- Lauf in 12 Sekunden, Weitsprung von 2,75 m, 25 m- Ballweitwerfen, Tornister packen, Teilnahme an einer 1 ½tägigen Fahrt, Kenntnis der Schwertworte des Jungvolks, Kenntnis des Horst- Wessel- und des HJ- Fahnen- Liedes“ (Der Jungvolkdienst, zit. nach Höck, S. 271). Für etliche Hilfsschulkinder dürfte dies allerdings eine schwierige Aufgabe gewesen sein.
[74] In die ‚allgemeine KLV‘ konnten erholungsbedürftige Kinder für 4 bis 6 Wochen ohne schulische Betreuung aufgenommen werden; Mädchen von 6-12 und Jungen von 6-14 Jahren. Die ‚erweiterte KLV‘ sah möglichst klassenweise Verschickung mit LehrerInnen und schulische Betreuung vor und betrug mehrere Monate.
[75] Die Hauptaufnahmegaue für Hamburger SchülerInnen waren Bayreuth, das Protektorat Böhmen und Mähren, Ungarn, München- Oberbayern, Ostpreußen, Sachsen und Thüringen (vgl. Lehberger, Rainer: Kinderlandverschickung: „Fürsorgliche Aktion“oder „Formationserziehung“, in: Lehberger et al., S. 370 f.).
[76] Landjahr sowie Landdienst sollten bei gerade Schulentlassenen die ideologische Verbundenheit zum Nationalsozialismus pädagogisch fördern. Das Landjahr stand unter Aufsicht des REM, der Landdienst unter der der HJ.
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