Hilfsschule

Die Hilfsschule im Nationalsozialismus

von Kirsten Knaack

4.1. Von der Gründung der Hilfsschule bis 1933

4.1.1. Allgemeine Entwicklung

Als erste Einrichtung der Betreuung ‚Schwachsinniger‘ ist die sächsische Erziehungsanstalt Hubertusburg zu sehen, die 1846 eingerichtet wurde. 1867 wurde schließlich die erste deutsche Hilfsschule eröffnet. Gleichzeitig entstanden sog. ‚Nachhilfeklassen‘, in denen die schwächsten Kinder einer Schule zusammengefasst und speziell gefördert wurden. Diese konnten sich konzeptionell jedoch nicht durchsetzen (vgl. Rudnick, S. 30 ff.). 1887 verabschiedete der Allgemeine Deutsche Lehrerverein: „Schwachbefähigte Kinder, d.h. solche, welche Spuren von Schwachsinn in solchem Grade an sich tragen, daß ihnen nach mindestens zweijährigem Besuch der Volksschule ein Fortschreiten mit geistig gesunden Kindern nicht möglich ist, müssen besonderen Schulen (Hilfsschule, Hilfsklassen) überwiesen werden.“ (zit. nach ebd., S. 38) Im Schuljahr 1893/94 existierten bereits in 32 deutschen Städten Hilfsschulklassen, 1914 in 320 Städten mit insgesamt 43 000 Kindern (vgl. ebd., S. 36). 1927/28 besuchten 71 902 SchülerInnen in ca. 750 Städten eine Hilfsschule (vgl. ebd., S. 38).
In Hamburg wurde am 13. Juni 1892 die erste Hilfsschulklasse in der Kieler Straße eingerichtet, in Bergedorf entstand 1918 eine Hilfsschule.
Gedacht waren die Hilfsschulen bei ihrer Entstehung als Entlastung der Volksschulen und Befriedigung des wirtschaftlichen Bedarfs an niedrig qualifizierten ArbeitnehmerInnen (vgl. Joost, Heike: Die Grundlagen der nationalsozialistischen Schulpolitik in bezug auf die Sonderschulen, in: Lehberger et al. 1986, S. 214).
Von ihrem Beginn bis 1945 umfasste die Hilfsschule die SchülerInnenschaft von heutigen Förderschulen, Schulen für Erziehungshilfe sowie Schulen für Geistigbehinderte.
Bis 1898/99 war der Name der Förderklassen ‚Hülfsklassen für Schwachsinnige Kinder‘, danach ‚Hilfsschule für schwachbefähigte Kinder‘. 1908 bestanden bereits 12 Schulen mit 1 574 Schülern in Hamburg.
Das politische Selbstverständnis der HilfsschulpädagogInnen im Kaiserreich war vorwiegend von konservativ- nationalem Denken geprägt. Die vorherrschende ständische Gesellschaftsordnung wurde im Großen und Ganzen bejaht, die sozialen Unterschiede von Menschen wurden als vorbestimmtes Schicksal gedeutet.
Auf dem Verbandstag der Hilfsschullehrerschaft benannte ein Teilnehmer die Aufgabe des Heimatkundeunterrrichts als „ein Verständnis für das soziale und politische Leben anzubahnen, Achtung vor der Obrigkeit und Liebe zur gesellschaftlichen Ordnung, zu Kaiser und Vaterland in die Herzen zu pflanzen“ (zit. nach Ellger- Rüttgardt, in: Hermann et al., S. 151). So scheint es nicht verwunderlich, daß Krieg, Opferbereitschaft und Imperialismus von den HilfsschullehrerInnen zu einem großen Teil befürwortet wurden (vgl. ebd., S. 151 f.). Nach der ‚Kriegsniederlage‘ änderte sich das Weltbild nur wenig. Die Novemberrevolution wurde als Werk von ‚Psychopathen‘ und ‚Geisteskranken‘ angesehen, die Weimarer Republik mit großer Skepsis beäugt. „Auch wenn die Hilfsschullehrer den unpolitischen Charakter der Pädagogik betonen, so ist nicht zu übersehen, daß diese Lehrergruppe eine rege politische Arbeit zur Durchsetzung ihrer Ziele leistet. Ungeachtet der propagierten parteipolitischen Neutralität des Hilfsschulverbandes ist nachweisbar, daß sich die Hilfsschulvertreter vor allem zu den Parteien der Rechten hingezogen fühlen. Die vorherrschende, nationalistische und völkische Grundeinstellung und die Affinität zu den diese Orientierung repräsentierenden Parteien ist als ungebrochene Linie bis zur Ära des Nationalsozialismus zu verfolgen.“ (ebd., S. 153)

Inhalt

Webkataloge